Wo Kinder Deutsch oder Russisch oder beides sprechen: Besuch im zweisprachigen Kindergarten
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Gießen. Auf den ersten Blick scheint im nezabudka-Kindergarten in Frankfurt alles so sein wie in jedem anderen Kindergarten auch. Wer genau hinhört, bemerkt jedoch den Unterschied: Im nezabudka-Kindergarten sprechen die Mädchen und Jungen sowohl Deutsch als auch Russisch. „Da die Umsetzung eines solchen Konzeptes durch das Deutsch-Russische Zentrum in Gießen derzeit geplant wird, ist es für die sachliche Erörterung hier im Landkreis wichtig, sich mit praktischen erfolgreichen Beispielen zu befassen. Es war hochinteressant, die Möglichkeiten einer solchen Einrichtung kennenzulernen“, sagte Landrätin Schneider, als sie zusammen mit einigen Mitgliedern des Kreisausländerbeirats und anderen Interessierten den Kindergarten besuchte. |
Schon zuvor hatte die Geschäftsführerin in einer Plenarsitzung des Kreisausländerbeirates das Konzept der bilingualen Kindergärten vorgestellt und zu einem Besuch
nach Frankfurt eingeladen. Mit der zweisprachigen und russisch geprägten Erziehung könne man entgegen vieler Behauptungen Parallelgesellschaften entgegenwirken, erklärte sie. Denn häufig würden sich zugewanderte Eltern durch die positiven Erlebnisse ihrer Kinder für die deutsche Kultur öffnen. Mehrsprachigkeit im Kindesalter stärkt darüber hinaus die Kommunikationsfähigkeit in beiden Ländern und fördert bei Kleinkindern deren geistige Entwicklung und Toleranz.
Julia Zabudkin erklärte darüber hinaus, dass bei den Kindern, die bis zum Eintritt in den Kindergarten nur Russisch sprechen, nach gut einem halben Jahr im bilingualen Kindergarten das Interesse an der deutschen Sprache geweckt ist. Nach spätestens eineinhalb Jahren unterhalten sich alle Kinder vorwiegend auf Deutsch. Dienstsprache im Kindergarten ist Deutsch, jede Gruppe hat zwei Erzieherinnen, von denen eine stets Deutsch, die andere stets Russisch mit den Kindern spricht.
„Das Konzept der nezabudka-Kindergärten geht auf“, sagte Integrationsdezernent Dirk Haas nach dem Besuch in Frankfurt. „Die Mischung aus russischsprachigen, deutschsprachigen und bilingual erzogenen Kindern sorgt für ein gleichwertiges Nebeneinander beider Kulturen“, stellte er fest. Und auch Tim van Slobbe, Vorsitzender des Ausländerbeirats des Landkreises Gießen, ist überzeugt, dass bilinguale Erziehungseinrichtungen bei der Integration zugewanderter Familien helfen können. „Wir werden das Deutsch-Russische Zentrum bei der Gründung einer zweisprachigen Kita im Raum Gießen unterstützen. Dies wäre ein neuer Ansatz, ein neues Konzept im Landkreis Gießen. Ein Konzept, welches jedoch in vielen Städten bereits seit Jahren erfolgreich umgesetzt wird“, sagte er.
Lydia Belov-Hahn leitet beim Deutsch-Russischen Zentrum in Gießen die Initiative zur Gründung einer bilingualen Kita und freute sich über die Hilfe. Die 165 Familien, die im Deutsch-Russischen Zentrum organisiert sind, und deren Kinder zumeist kein Russisch sprechen, sehnen sich nach einer solchen Einrichtung im Landkreis Gießen, damit die Zugehörigkeit zu beiden Kulturen – der deutschen und der russischen – nicht verloren geht.
Zurzeit gibt es Interesse an 30 Plätzen, vieles ist bereits für die Gründung in die Wege geleitet, erklärte Lydia Belov-Hahn. Die größte noch zu nehmende Hürde sei die Finanzierung für Möbel und Ausstattung der Kita sowie die Übernahme der Kostenerstattung für Kinder, die nicht aus der Stadt Gießen kommen.