Sind wir euch zu viel?
Jede zweite Kita-Gruppe ist zu groß. Erzieherinnen und Erzieher berichten von der Front.
Protokoll: Nataly Bleuel und Carolin Pirich
DIE ZEIT Nr. 38/2020
„Mir kommt das teilweise vor wie Massenabfertigung“
Erzieherin, 30, Rostock
Nirgends müssen Erzieherinnen so viele Kinder betreuen wie bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Das Gesetz sieht vor, dass bei den Drei- bis Sechsjährigen eine Fachkraft auf „durchschnittlich“ 15 Kinder kommt. Manchmal ärgere ich mich sehr über diese Zahl. Zumal sie überhaupt nicht die Realität widerspiegelt!
Eigentlich habe ich 16 Vorschulkinder zu betreuen. Wenn Kollegen krank sind, bin ich aber auch mal allein mit 20 Kindern. Mir kommt das teilweise vor wie Massenabfertigung. Sobald ich mich um eines von ihnen kümmere, weil es etwa weint, sind die anderen 19 ohne Aufsicht. Vor allem die Stilleren trifft das. Kinder merken, ob sie individuell betreut werden oder nur abgewickelt. Es gibt Studien, die zeigen, dass das seelische Wohl der Kinder, ihr Selbstwertgefühl, leidet, wenn sie spät oder gar nicht getröstet werden. Manchmal sehe ich ein Kind weinen, kann aber einfach nicht gleich zu ihm, weil ich mich gerade um ein anderes kümmere. Das tut mir in der Seele weh…